Sommerfahrt mit Hilfseinsatz bei „Don Justo“
»Es ist ebenso schön, um der Liebe Gottes willen Kartoffeln zu schälen wie Kathedralen zu bauen« schrieb Guy de Larigaudie. Und natürlich hat er recht. Theoretisch. Trotzdem träumt jeder Pfadfinder irgendwann davon, selber einmal eine Kathedrale zu bauen. Oder wenigstens MITzubauen. Das dachte sich auch die Erlenbacher Raiderrunde und startete kurzerhand ihre Sommerfahrt in Madrid. Dort, am Stadtrand von Madrid, hat im Jahr 1961 ein gewisser »Don Justo« begonnen, eine Kathedrale zu bauen. Alleine. Mit bloßen Händen. Nach eigenen Plänen. Ohne Ausbildung, ohne Finanzierungskonzept, ohne Genehmigung. Und ohne Zeitdruck. Vor über 50 Jahren. Heute ist er 89 Jahre alt, und tut, was er sein ganzes Leben getan hat: Er baut eine Kathedrale. SEINE Kathedrale. Und wir haben mitgebaut!
Keiner von uns ist gelernter Handwerker, und keiner von uns kann richtig Spanisch. Aber das macht nichts. Auch Don Justo hat kein Handwerk gelernt, und auch er versteht keinen Brocken Deutsch. Aber irgendwo können unsere Hände helfen, und irgendwie können wir uns mit Händen verständigen. Es ist beeindruckend, mit einem »Heiligen« zusammenzuarbeiten (vielleicht auch ohne Anführungszeichen. Wer weiß…) Wenn wir am Morgen den Tag mit der Hl. Messe beginnen natürlich in der Kathedralen(baustelle) ? dann kniet Don Justo während der ganzen Messe auf dem bloßen Betonboden, tief im Gebet versunken. »Jeden Tag opfere ich dem Herrn die Arbeit auf, die er mir heute gibt, und ich bin glücklich mit dem, was er mich erreichen lässt«, liest man auf einer kleinen Informationstafel am Eingang, die er als sein Zeugnis geschrieben hat (in englischer Übersetzung). Wirklich, man spürt seine Ruhe, Gelassenheit, Zufriedenheit, sein Gottvertrauen. Und das steckt an. Wir schleppen Säcke, transportieren Baumaterial an die richtige Stelle, produzieren manuell Aludachplatten aus Restabfällen und… und… und… und sind zufrieden mit dem, was wir am Tag schaffen.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Während unseres Arbeitseinsatzes wohnen wir in der Kirchenbaustelle. Am Abend, wenn Don Justo das Tagewerk beendet (er arbeitet sechs Tage die Woche) und die Kirchentüre verschließt, bleiben wir zurück und haben den gesamten Kirchenkomplex für uns allein – mit Pfarrsälen, Baptisterium und vielen anderen Räumlichkeiten, freilich noch im Rohbauzustand. Im Innenhof gibt es Abendrunden, und zum Abschluss des Tages erklingt das Salve Regina im Hauptschiff der Kirche (55m lang, 25m breit, 35m hoch).
Aber irgendwann müssen wir aufbrechen. Denn wir wollen noch zur Mutter Gottes nach Lourdes. Per Tramp geht es in 2er-Gruppen von Madrid in die Pyrenäen, und dann zu Fuß zehn Tage lang durch herrliche Bergwelt zum größten französischen Marienwallfahrtsort: Unzählige Seen, schroffe Berggipfel, schneebedeckte Pässe (Ende August!), wunderbare Lagerplätze. Der Herrgott meint es sehr gut mit uns. Sogar das Wetter passt. Anfang September erreichen wir Lourdes und vertrauen alle unsere Anliegen an der Grotte unserer himmlischen Mutter an. Bei der Lichterprozession am Abend werden wir sofort als Helfer engagiert (die Kluft verrät uns) und dürfen den Absperrdienst übernehmen.
Eine eindrucksvolle Fahrt geht zu Ende, das Kathedralenbauen ist vorbei, der Alltag wartet. Ab jetzt heißt es wieder Kartoffelschälen. Aber zur Ehre Gottes kann das genauso schön sein.