Rückblick auf drei Wochen Pfadfinder-Hochwasser-Hilfseinsatz
Aus den öffentlichen Medien sind die Bilder der Flutkatastrophe in Niederbayern und Ostdeutschland schon wieder verschwunden. Die betroffenen Menschen vor Ort freilich werden noch lange unter den Schäden zu leiden haben. Auch viele Pfadfinderinnen und Pfadfinder der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE) werden die überfluteten Dörfer nicht so schnell vergessen: Was wir bei unserem 3-Wochen langem Hochwasser-Hilfseinsatz erlebt haben, wird unser Leben nachhaltig prägen.
Hilfe schenken heißt selber beschenkt werden. In einer ganz spontanen Aktion organisierte die »Rote Stufe« der KPE ? das sind die Pfadfinderinnen und Pfadfinder ab 18 Jahre ? einen Hilfseinsatz für Grimma und Weißewarte im Osten, sowie für Fischerdorf bei Deggendorf in Niederbayern. »Oiso, i huif mit, weil i meine boarischen Landsleid ned henga lassen wui!« so die spontane Reaktion von Johannes B. aus Donauwörth auf die Frage, ob er nicht ein paar Tage Urlaub opfern kann. Aus ursprünglich geplanten 10 Tagen wurden letztendlich drei Wochen, so viel gab (und gibt!) es in den verwüsteten Dörfern zu tun. Über jede helfende Hand sind die Betroffenen dankbar. Aber nicht nur das: Auch für uns selber werden die Tage und Wochen zu einem wertvollen und wunderbaren Geschenk: Den Zusammenhalt der Leute vor Ort erleben, die Hilfsbereitschaft von hunderten, ja tausenden von Helfern, die Dankbarkeit der dortigen Menschen spüren , durch all das wurde der Hilfseinsatz auch für uns eine ganz besondere Erfahrung.
Wie alles begann. In Deggendorf ist ein Damm gebrochen? Wir googeln schnell nach »Deggendorf« und »Pfarrei« und rufen an, ob wir mit einer Pfadfindergruppe helfen können. »Ja, auch unsere Kirche steht unter Wasser«, erklärt uns Pfarrer Pollinger. »Kommt nächste Woche, bis dahin wird das Wasser weg sein und das große Aufräumen beginnt«. Als wir dann vor Ort eintreffen, bietet sich uns ein unglaubliches Bild der Verwüstung: Bei den meisten Häusern stehen Keller und Erdgeschoss vollständig unter Wasser, bei einigen tiefer stehenden Häusern ist auch der erste Stock betroffen, das Wasser reichte bis kurz unter das Dach. Alles, was außerhalb der Häuser nicht fest angebunden war, wurde durch das Wasser mitgerissen. Jetzt hängt der Müll in drei Meter Höhe in den Ästen der Bäume.
Unsere Arbeit vor Ort. Trotz dieses Anblicks herrscht in Fischerdorf eine hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung. Vom Koordinationsteam der Deggendorfer Studenten (die die Lage hervorragend im Griff haben) werden wir verschiedenen Häusern zugeteilt. Einzelne Ortsteile sind noch nicht zu Fuß erreichbar; in diesem Fall werden wir von LKWs zum Einsatzort gebracht. Dort helfen wir den betroffenen Familien: Der gesamte Hausrat von Keller und Erdgeschoss muss vollständig ausgeräumt und praktisch immer entsorgt werden. Ebenso alle Holzeinbauten (Parkettböden, Türrahmen usw.), meistens auch die Estriche. Arbeiten, bei denen wir auch ohne besondere Fachausbildung gut helfen können. Wegen der ausgelaufenen Heizöltanks stinkt es überall bestialisch. So müssen auch alle Wände zusätzlich mit einer Speziallösung und Hochdruckreiniger sauber gemacht werden, wenn nicht gleich der gesamte Putz abgeschlagen wird. Vor den Häusern türmen sich Berge von Sperrmüll und Bauschutt. In regelmäßigen Abständen kommt ein großer Bagger samt LKW und räumt die Straße wieder frei. Wir verlassen ein Haus erst, wenn sich das Erdgeschoss in einen vollkommenen Rohbau zurückverwandelt hat.
Konkret helfen, hier & jetzt. Für eine betroffene Frau ist eine Welt zusammengebrochen, da sie keine Möglichkeit mehr sieht, ihr von Flutschlacke völlig verschmutztes Kleiderinventar zu reinigen. Ein kurzer Anruf bei einer Pfadfinderin zuhause und schon haben wir einen Spender für eine neue Waschmaschine. Kurz darauf wird das Gerät ins Katastrophengebiet geliefert. Nach weniger als sechs Stunden steht sogar ein Trockner zur Verfügung! „Bis heute habe ich nicht einmal gewusst, dass es die KPE überhaupt gibt. Und jetzt kommen sie aus verschiedenen Richtungen hierher und helfen einfach mit. Alle arbeiten mit Freude, Begeisterung und Sachverstand. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas schon jemals zuvor erlebt zu haben. Respekt und vielen, vielen Dank!“, erklärt Hannelore Vogl aus Plattling, die als Helferin mit uns an einem Haus arbeitet.
Ora et labora. In manchen Fällen geht es gar nicht in erster Linie um die tatkräftige Arbeit, sondern einfach darum, dass jemand für die Menschen vor Ort da ist; jemand, der ihnen zuhört und seelische Stütze ist. „Für viele betroffene Menschen war es gar nicht so wichtig, dass wir ihnen beim Aufräumen möglichst effizient helfen. Viel wichtiger war, dass einfach jemand bei ihnen ist, der ihnen zuhört und helfen will. Für mich eine ganz wichtige Erfahrung!“ so Elli, die extra aus Österreich zum Helfen gekommen war. Manchmal laden wir die Leute ein, mit uns zur Dorfkirche zum Gottesdienst zu kommen. Die Kapelle ist bereits wieder trocken, wenngleich man die Wasserschäden noch deutlich sieht. Während wir mit den Leuten beten, dröhnt draußen der Lärm der Bagger und Presslufthammer unvermindert weiter – aber wir sind uns sicher, dass diese Art der Unterstützung für die Menschen genauso wichtig ist wie die handgreifliche Hilfe.
Unerwartete Begegnung. Ein besonderes Highlight ist eine unerwartete Begegnung mit der politischen Prominenz: Am Freitag der ersten Woche besucht Bundespräsident Gauck das Krisengebiet und zwar genau die Straße, in der wir gerade beim Aufräumen helfen. Kurz entschlossen kommt Gauck auch zu unserer Arbeitsgruppe und dankt allen Helfern für ihren Einsatz.
Bilanz. Insgesamt waren in den drei Wochen mehr als 50 erwachsene Pfadfinderinnen und Pfadfinder der KPE aus dem ganzen Bundesgebiet im Einsatz, an den Wochenenden bis zu 25 gleichzeitig. Die allermeisten Helfer blieben für mehrere Tage. Übernachten konnten wir im evangelischen Pfarrheim oder bei Privatfamilien in/um Deggendorf. Bemerkenswert: Eine ganze Reihe von Pfadfinderinnen und Pfadfindern hat sich nach ihren ersten Helfertagen für einen zweiten Einsatz gemeldet und ist in der darauf folgenden Woche nach Fischerdorf zurückgekehrt. Manche kamen sogar ein drittes Mal.
Ganz direkt haben wir in diesen Wochen erfahren: Helfen macht selber Freude.
Und darüber hinaus eröffnet es unzählig viele Möglichkeiten, unseren Glauben für andere sichtbar und positiv erlebbar zu machen. Deo gratias!