KPE-Pfadfinder helfen bei Flutkatastrophe auf dem Balkan
Am Donnerstag 12. Juni 2014 brachen 8 Freiwillige auf, um in dem vom Hochwasser schwer betroffenen Bosnien zu helfen. Um den 20. Mai hatte ein ungeheurer Niederschlag über Kroatien, Serbien und Bosnien eine noch nie dagewesene Überschwemmung verursacht. Unter den vielen betroffenen Städten und Dörfern war das kleine Vidovice, eine Gemeinde von etwa 1000 Einwohner, die am östlichen Ende der kroatischen / bosnischen Grenze liegt.
Vor zwanzig Jahre, nachdem Vidovice fast völlig durch den Krieg zerstört wurde, half die KPE durch Hiflsgüter, die mit LKWs dorthin gebracht wurden. Als wir von dem Hochwasser hörten, entschloßen wir uns dort zu helfen.
Um 17:00 am Mittwoch erreichten die Helfer Vidovice. Die Begrüßung der alten Freunde war keineswegs weniger stürmisch als die Begrüßung durch die örtlichen Mücken! Die Auswirkungen der Überschwemmung waren und sind erschreckend. Nur 15 der 900 Häuser wurden verschont. Obwohl schon drei Wochen seit dem Hochwasser vergangen waren, lagen überall vor den Häusern Berge von dreckigen Möbeln und Hausrat. An vielen Orten steht das Wasser noch; doch viel unerträglicher als der hässliche Anblick ist der höchst unangenehme Geruch.
Wir konnten gleich am Freitagmorgen mit unserer Arbeit anfangen. Willi hatte schon das Dorf erkundet und Menschen, die am meisten Hilfe benötigten, ausgesucht. Das Nachbardorf von Vidovice ist Kopanice. Es liegt aber ein bis zwei Meter tiefer, so sind hier die Schäden am größten. In einem Bauernhaus, das ganz von Wasser bedeckt gewesen war, haben wir alle die alten Möbel, Kleidung, Geräte und Teppiche heraus geräumt. Alles war nass, schlammig, schmutzig und furchtbar stinkig.
Wir hatten uns auf Schlimmes vorbereitet, und der erste Tag war erschreckend. Aber der zweite Tag sollte uns noch mehr fordern. Wir halfen einer armen Frau, die in Tränen ausbrach, als sie zum ersten Mal ihr Haus öffnete. In Handschuhen, Gummistiefel und Weißvollkörperanzügen begannen wir gleich, das Haus auszuräumen, die Wände und den Boden zu reinigen und den Schlamm und den Dreck wegzukarren. Am Ende, zog sie eine alte Flasche Schnaps aus dem Dreck und bot sie uns an, als ein Zeichen ihres Dankes. Wir nahm es höflich an, da uns ihre Freundlichkeit rührte.
Inzwischen hatten wir uns mit vielen Einheimischen angefreundet. Eine Frau bot an, unsere Wäsche zu waschen. Ein Mann in derselben Straße lud uns ein, seine Dusche zu benutzen. Wir wurden und werden hier mit viel Großzügigkeit angenommen und beschenkt.
Am Sonntag feierte Vidovice das Fest des heimisches Patrones, den Heiligen Vitus. Es war beeindruckend, eine so volle Kirche zu erleben, in der wir viele unserer neuen Freunden wieder sahen. Die Leute sangen mit so viel Hingabe die Messlieder. Wir wurden zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen. Danach fuhren wir zu dem Ort, der die Überschwemmung in Vidovice verursachte. Ein Damm an dem Fluss Sava war gebrochen. Die Stelle ist ungefähr 200 m breit. Überall dort konnte man Zeichen der Zerstörung, die Gewalt der Natur und die verzweifelten Anstrengungen der Menschen, ihn zu reparieren, sehen. Noch einmal waren wir stumm vor Betroffenheit
Die Hälfte von uns wird nach einer Woche Arbeit in Vidovice zurückkehren. Die andere Hälfte wird noch länger bleiben. Wir hoffen dass wir in dieser Zeit der Not ein wenig helfen können.
Jason R.
Extremhochwasser in Bosnien
Katastrophengeschüttelt in Krieg und Frieden. Von Willi C.
Eindrücke einer 8-köpfigen Gruppe von Pfadfindern und anderen Freiwilligen aus Deutschland, Schweiz und Österreich während ihres mehrtägigen Hilfseinsatzes am 15. Juni 2014
300 Liter Regen auf den Quadratmeter in drei Tagen. Es war zu viel für die Flüsse Bosna, Vrbas und Drina. Auch das waldreichste Land Europas konnte das Wasser nicht zurückhalten. Die einige hundert Kilometer langen Flüsse kommen aus Sarajevo bzw. Montenegro und münden in die Sava. Die Posavina, das Gebiet in Nordost-Bosnien, ist der Mündungsbereich dieser Flüsse. Der Rückstau dieser drei Flüsse zur bereits Hochwasser führenden Sava verursachte heuer im Mai eine außergewöhnliche Flutwelle.
Einige der besonders getroffenen Dörfer sind Vidovice, Kopanice und Jenice, wo unser Einsatzort liegt. Von mehr als 900 Anwesen in Vidovice sind nur 15 verschont geblieben, wobei bei diesen oft nur 5 cm entscheidend waren. In Kopanice erreichte der Wasserstand mehr als dreieinhalb Meter, selbst manche Dächer wurden noch beschädigt. Die gesamte Infrastruktur dieser Haushalte und landwirtschaftlichen Betriebe ist nicht mehr funktionsfähig. In den Gebäuden herrscht unglaubliches Chaos. Erste Aufgabe der zurückkehrenden Bewohner ist das Ausräumen des wassergesättigten und nach Verwesung riechenden Inventars. Dies ist auch Aufgabe unseres Einsatzes hier in den Dörfern. Es bedarf einer differenzierten Vorgehensweise, je nach Besitzverhältnissen. Es gibt Leute, die in der Lage sind, Notwendiges zu ersetzen, aber es sind nicht wenige, die – für unsere Verhältnisse nicht mehr Brauchbares – wieder funktionsfähig machen (müssen).
Oma Maria aus Kopanice sehen wir weinend vor ihren Wohnräumen stehen. Ihr bisheriger Lebensraum ist hoffnungslos verwüstet. Selbst die Dachplatten waren vom Wasser abgehoben worden. Die Flut traf Maria völlig unvorbereitet. Im Kochtopf am Küchenherd steht noch eine Mahlzeit Bandnudeln mit Tomatensoße jetzt randvoll mit Sava-Wasser. Maria, weit über siebzig Jahre alt, sammelt mit bloßen Händen ohne Schutzanzug einfache Habseligkeiten aus Küchen- und Kleiderschrank. Besonderen Wert legt sie auf einige Schultertücher, die zur traditionellen Kleidung älterer Frauen gehören. Ebenso birgt sie religiöse Gegenstände. Zwei Behälter scheinen ihr viel zu bedeuten. Sie bezeichnet sie mit einem Kreuz, was geweihtes Wasser bedeutet. Ebenso ringt sie um Seifenstücke und Reinigungsmittel.
Dieser Einsatztag bei Maria war auch für uns der bisher schwierigste. Viele Arbeiten lassen sich nur mit Schutzanzug und Mundschutz bewältigen. Am Abend als wir sie zu ihrer Tochter in Vidovice zurückbringen, finden wir ein Lächeln in ihrem Gesicht und mit einem vielfältigen Hvala dankt sie uns. Für das Gelingen dieses Tages war es nicht notwendig fließend Kroatisch zu sprechen. An diesem Tag haben wir wieder eine neue Zeichensprache gelernt.