Vier Wochen lang ging die diesjährige Großfahrt der Raider quer durch die Türkei: Zuerst auf den Spuren des Heiligen Paulus vom antiken Perge nach Antiochien, weiter durch die faszinierende Felsenlandschaft Kappadokiens, der Heimat der großen Theologen der Ostkirche, und schließlich durch die zerklüfteten Gebirgszüge des Anti-Taurus, mit dem 3723m hohen Mt. Emler als buchstäblichem Höhepunkt der Fahrt. Letztes Ziel war Tarsus, die Heimatstadt des heiligen Paulus. Auszüge aus der Fahrtenchronik.
Tag 9 | 17.07.22 | von Lelo
„Tamam, tamam, reicht schon, bin ja schon wach.“ Mit diesen Gedanken begann der zweite Sonntag unserer Fahrt. Und ja, ich bin mittlerweile schon so lange hier, dass ich anfange, Türkisch zu denken. „Tamam, tamam.“ Es war eine erholsame und windige Nacht, aber wie immer zu kurz. Egal, es ist Sonntag, Ruhetag, das wird schon gehen, denke ich noch. Wenn ich nur wüsste…
Zum Frühstück gab es zum ersten Mal das neue Müsli. Knusprig, lecker, energievoll. Auf zu neuen Taten! Die Messe wurde in einem Apfelhain im Schatten gefeiert. Unsere Österreicher fühlten sich dort sehr heimisch, bis ihnen wieder einfiel, dass Südtirol nicht mehr zu Österreich gehört. Danach wurde getrampt. Gleich das erste Auto konnte meinem Lächeln nicht widerstehen und brachte unser Trampduo zum vereinbarten Treffpunkt. Oder eher dorthin, wo wir den Treffpunkt vermuteten. Als alle bis auf unser Pater da waren, wussten wir, dass wir falsch sind. Also fragten wir die Einheimischen. Eine Minute später saßen acht Pfadfinder auf einem typisch türkischen Traktor und rasten über die Landstraße. Ich denke, jeder von uns sprach während der Fahrt das ein oder andere Gebet zum Schutzengel. Angekommen am richtigen Ort machten wir dem Pfadfindergrundsatz „Arbeiten ohne Lohn zu erwarten“ alle Ehre. Hilfsarbeiter aus Deutschland beim Aprikosenpflücken sieht man auch nicht alle Tage. Zum Dank wurden wir abgezockt: 1.700 Türkische Lira für eine Fahrt über einen See in einer Nussschale mit einem 1-Takt-Dieselmotor, völlig überladen, mit einem Schwarzfahrer: einer lebendigen Schlange. Aber wir gönnen es Mustapha. Drüben lebend angekommen ließen wir den Sonntag entspannt ausklingen…
Tag 13 | 21.07.22 | von Fernando
Wir sind im antiken Antiochien. Am Morgen feiern wir die heilige Messe in einer Kirchenruine, die auf den Fundamenten der Synagoge erbaut ist, wo der heilige Paulus bei seiner ersten Missionsreise gepredigt hat (Apg 13). Sehr eindrucksvoll, vor allem weil das heutige Evangelium genau von diesem Ereignis erzählte. Nach dem außerordentlich köstlichen Frühstück begeben wir uns mit den türkischen Archäologie-Studenten zur Ausgrabungsstelle, wo wir mithelfen, eine frühchristliche Kirche freizulegen. Es ist richtig interessant und verschafft uns tiefere Einblicke in die Archäologie. Das Ausgraben ist sehr abwechslungsreich, da uns unsere Arbeitskollegen auch etwas Türkisch beibringen. […]
Tag 14 | 22.07.22 | von Jacob
Heute steht ein langer Tramptag an, wir werden uns erst morgen wieder treffen. Mein Tramppartner ist Jakob M. und weil wir beide so fesch aussehen, bekommen wir als erste ein Auto. Leider werden wir ein paar hundert Meter zu weit mitgenommen, aber an diesem Tag laufen wir aus Prinzip nicht und so trampen wir einen größeren Umweg über Beyşehir nach Konya… Inzwischen haben wir ein großes Loch im Bauch, vom fehlenden Mittagessen. In Aksaray können wir dem Aushang „Döner Ayran 25 TL“ nicht widerstehen und verschlingen das gefüllte Fladenbrot. Wir sind uns einig, dass eine zweite Portion nicht schaden würde und werden tatsächlich 250m weiter zum gleichen Essen nochmals eingeladen. Ob das ein drittes Mal klappt? Wir schlendern weiter… Ausbeute: Eine Tüte Obst, 4 Gläser Çay, eine Shisha, und ein drittes Abendessen beim gleichen Lokal wie zuvor, jetzt allerdings spendiert von einem netten Österreicher. Viele Leute fragen ganz erstaunt, wo wir denn schlafen, aber keiner kommt auf die eigentlich naheliegende Idee, uns einzuladen. Also suchen wir nach einer ruhigen Ecke für die Nacht. Aber kaum haben wir uns hingelegt, leuchten zwei große Taschenlampen in unsere Richtung: Oje, Polizei! Die haben sicher mit vielem gerechnet, aber nicht mit zwei jungen Deutschen. Sie erlauben uns, dort liegen zu bleiben (aber haben uns wohl etwas für verrückt gehalten.) … Mittlerweile bin ich 19, denn während ich das jetzt schreibe, ist es 2:30 Uhr in der Nacht. Heute ist mein Geburtstag! Wenn das kein guter Tag ist! Gute Nacht!
Tag 21 | 29.07.22 | von Jacob
Bchchchchchchcht. Bchchchchchcht. Bchchchchchchchchchchchchcht. Hö? Was ist das denn jetzt? Verwirrt setzte ich mich im Schlafsack auf. Langsam schwebt ein riesiger Heißluftballon nur wenige Meter über mir durch das Tal. „Good morning guys!“ Der große Korb ist voller selfiewütiger Touris, die uns euphorisch zuwinken und die es anscheinend überhaupt nicht stört, dass es erst 5:15 Uhr ist und wir noch schlafen (wollten). Doch jetzt ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Im fünf Minutentakt kommen noch ca. 10 Ballons so nah an uns vorbei, dass wir quasi einsteigen könnten. Es ist ein wunderschönes Chaos aus vielen bunten Ballons, die da in der aufgehenden Sonne über die faszinierenden Felsformationen der Täler Kappadokiens ziehen. Und überall leuchten die Flammen der Bunsenbrenner auf. Nach dem Frühstück besuchen wir die umliegenden Täler, immer auf der Suche nach geheimen Höhlengängen – und entdecken dabei die besten Fotospots. Wenn da nicht mindestens eins davon im KPE-Kalender landet, wäre das ein Skandal. […]
Tag 30 | 07.08.2022 | von Raphael
Heute ist unser letzter Fahrtentag. Dachten wir…! Er beginnt mit einem herrlichen Frühstück von Pater Leonardo, der zum Institut Verbum Incarnatum gehört und hier in Tarsus lebt. Dank des guten Abschlussessens am vorigen Abend können wir den gierigen Wolf bezähmen, der auf Fahrt im Magen eines jeden Pfadfinders haust. Die Sonntagsmesse besuchen wir in der benachbarte Stadt Adana in der sog. „Baby-Kilese“. Die Messe ist auf Türkisch, besucht von einem bunten Mix verschiedenster Nationalitäten. Danach knüpfen wir beim Sonntagsschmaus noch mit vielen Gläubigen Kontakt. Eine philippinische Christin spendiert uns zwei Taxis zum Flughafen. Dort stellen wir fest, dass unser Rückflug gecancelt wurde und es für drei Raider heute keinen Rückflug mehr gibt. Also heißt es für Jacob, Tobias und mich, bis zum nächsten Tag zu warten. Wir ziehen wieder in die Stadt, packen die Gitarre aus und singen und spielen, was das Zeug hält, und verdienen uns damit unseren Lebensunterhalt. Eingeladen in einen Süßigkeitenshop, probieren wir alle Köstlichkeiten bis uns der Magen zusammenklebte.
Die Wartezeit am Flughafen bis zum Check-in morgens zum 2:00 überbrücken wir mit einem Gespräch mit einem Kurdisch-Türkisch-Deutschen mit christlich-armenischen Wurzeln, während wir unser erstes Frühstück einnehmen. Um 4 Uhr heben wir ab und lassen eine golden blitzende Stadt hinter uns. Im Flugzeug gibt es das zweite Frühstück, bei der Zwischenlandung in Istanbul das dritte, und im Flugzeug zurück nach Deutschland das vierte. So sollte es jeden Tag sein!
Mit einem Tag Verspätung endet unsere Großfahrt in München. Es war eine unvergessliche Zeit und dankbar erinnern wir uns an die wunderbaren Erlebnisse. Doch die Großfahrt soll weiter in unserem Leben wirken. Wir haben aus der Türkei viele Vorsätze mitgenommen. Jetzt, genau jetzt, sollten wir uns daran erinnern und in unserem Leben „den geraden Weg zu gehen, der zum Hause unseres Vaters führt!“ (aus dem Gebet der Raider)