Die KPE-Akademien verstehen sich als Wochenenden der denkerischen Gymnastik. Für gewöhnlich erkunden wir die weite Welt mit Wanderschuhen und Rucksack. Aber genauso will die Welt des Geistes und das Reich der Ideen erobert sein – mit dem Rüstzeug des akademischen ABC’s aus akribischen Argumenten, belastbaren Begründungen, couragierter Cleverness, in detailierten Distinktionen entfaltet und erklärt.
Puh…, denken und formulieren kann ganz schön anstrengend sein. Das haben wir bei der diesjährigen Frühlingsakademie in München mit Frau Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz gemerkt. In einem wilden geschichtlich-philosophischen Ritt quer durch die gesamte Menschheitsgeschichte unterschied sie zwischen drei grundsätzlichen Verhältnisbestimmungen der Geschlechter: (1) magische, (2) mythische, (3) mental-rationale Strukturform; in allen drei Fällen geht es um eine asymmetrische Zuordnung von Mann und Frau, jedoch mit sehr verschiedener Über/Unterordnung. Die Überlegungen von Prof. Gerl-Falkovitz waren gespickt mit unendlich vielen (spannenden) Details. Wer wusste, dass Figuren aus prähistorischer Zeiten zu 90% Frauen abbilden? Dass in „Großmutter“ die „große Mutter“ steckt, d.h. die Frau, die in Vorzeiten die zentrale Figur des gesellschaftlichen Lebens bildete? Dass im englischen „truth“ das Wort „Treue“ steckt? Dass in Gen 2 Eva als „Hilfe“ vorgestellt wird, aber das hebräische Wort besser als „Geschenk, Gabe, Gnade“ zu übersetzen wäre? Und und und…. Das eigentliche Thema trat da fast ein wenig in den Hintergrund: „Gender. Umgang mit Geschlechtlichkeit“. Tatsächlich war es von Anfang an das erklärte Ziel von Prof. Gerl-Falkovitz, unsere Denkbemühungen nicht auf das enge Thema von gender und sex einzugrenzen, sondern die verschiedenen geschichtlichen Zuordnungen der Geschlechter in Blick zu nehmen, die bis heute in unserer Wahrnehmung der Geschlechter präsent sind. In einem zweiten Schritt galt es dann zu überlegen, wie das biblische Menschenbild diese überlieferten Grundstrukturen vertieft, weitergeführt und aufgeklärt hat. Aus dieser Perspektive wurde schließlich deutlich, wie in der heutigen Genderdebatte ein durchaus biblisches Grundmotiv weiterwirkt – nämlich das Verständnis des Menschen, der nicht nur fertiges Naturwesen ist, sondern dem die Gestaltung seiner Natur aufgetragen ist (=Kultur). Freilich, in vielen Punkten der heutigen Diskussion über Gender wird genau diese richtige und wichtige Einsicht dann absolut gesetzt und so in ihr Gegenteil verkehrt, indem jede natürliche Fundierung der Geschlechterpolarität geleugnet wird – womit sich der Mensch als selbstreferentielles Autonomiewesen letztlich von seiner eigenen Natur abkoppelt. Kurz gesagt: Das Wollen stellt sich über das Sein, wird als ursprünglicher gedacht als das Sein.
Selten wurde uns so klar wie an diesem Wochenende, dass auch für’s Denken gilt: „Scouting is doing!“